Warum?

Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll, aber es ist mir ein Anliegen, diesen Beitrag zu schreiben und mich Euch mitzuteilen.

Mein Amori, der Vater meiner drei Kinder, meine große Liebe, hat sich am frühen Morgen des 21.06.2018 das Leben genommen. Warum? Das wird wohl nie jemand so richtig wissen. Wahrscheinlich weiß er es selbst nicht mal. Er war weder krank noch standen wir am finanziellen Ruin, auch Schluss gemacht hatte ich nicht. Wir hatten Probleme, wie es sie wohl in jeder Partnerschaft gibt. In letzter Zeit stritten wir immer häufiger, er war ständig gereizt, was ich dem Stress wegen der Selbständigkeit in Verbindung mit den drei Kindern, etc., etc. zuschob. Klar, wir hatten viel um die Ohren und die Fanmeile (dort standen wir gerade mit unserem Food Truck) lief nicht so gut wie erhofft, aber sich deshalb umbringen? Niemals!

An seinem letzten Tag kam ich abends mit den Kindern zur Fanmeile. Wir sahen dort das Spanien-Spiel (gegen wen habe ich schon vergessen). Als er gegen Ende des Spiels wieder mit seiner schlechten Laune anfing, machte ich mich schon einmal mit den Kindern auf den Weg nach Hause. Ich ließ ihn nicht alleine zurück. Seine Tante und sein Vater waren bei ihm, um zu helfen. Zu Hause angekommen, badete ich schnell die Kinder und legte mich zu ihnen ins Bett. Nachts wurde ich kurz wach, als er mit der Tante und seinem Vater nach Hause kam. Am nächsten Morgen war er weg. Da wollte ich gerade die Kinder in die Kita bringen. Ich dachte mir erst nichts dabei; dachte, er sei kurz Zigaretten/ Brötchen/ XY holen. Außerdem war ich im Stress, hatte noch einen Termin in Potsdam. Wie auch immer, ich musste los.

Gerade als ich aus dem Haus wollte, kamen mir zwei Männer von der Kriminalpolizei entgegen. Ich ahnte nichts Gutes. Hoffte, er sei vielleicht betrunken im Straßengraben aufgefunden worden/ war in eine Schlägerei verwickelt gewesen/ im Krankenhaus/ wie auch immer. Als sie sich meiner und seiner Identität versichert hatten (sie wollten sogar ein Foto von ihm sehen und probierten die Schlüssel, die er bei sich trug, aus), wollten sie mich allein sprechen. Ich schickte die Tante und den Opa mit meinen Kindern vor die Tür. Ich sollte mich „erstmal hinsetzen“, dann kam der Satz, den ich nie vergessen werde „Der Miguel (das war sein erster Vorname – nicht sein Rufname) ist heute früh gestorben!“ Bähm! In Your Face! Gestorben! Unwiederbringlich. Endgültig. Unumkehrbar. Ich konnte, wollte es nicht wahr haben. Es war wie ein Schlag ins Gesicht, der so endgültig ist, dass er keinerlei Hofnung mehr zulässt. Zwecklos jede weitere Nachfrage à la „lebt er nicht vielleicht doch noch ein bisschen?“

Ich weiß gar nicht mehr, wie genau ich reagiert habe in dem Moment, aber die Tante kam hereingestürmt und wollte wissen, was passiert war. Als ich es dann irgendwann auf spanisch hervorbrachte, fing auch sie an zu schreien und lief zum Vater. Auch er fing an zu schreien. Meine drei verwirrten Kinder mittendrin. Es war wie ein Albtraum! Komischerweise fing ich ab da an, einfach nur noch zu funktionieren. Die Mäuse gingen erstmal zur Nachbarin. Ich erledigte alles weitere wie in Trance. Erst sagte ich meinen Termin in Potsdam ab, dann rief ich die Betreiber der Fanmeile an. Dort sollten wir ja eigentlich bis zum Ende der WM stehen. Mir war aber sofort klar, dass ich das Geschäft alleine nicht weiterführen würde. Danach meldete ich mich bei den Betreibern des Bergmannstraßenfestes, auch da musste ich für das kommende Wochenende absagen. Sonst konnte ich niemandem Bescheid geben. Dazu hatte ich keine Kraft. Irgendwann am Vormittag rief ich meine Mutter an, die sich sofort von Köln zu uns nach Berlin auf den Weg machte. Ich ging mit den Kindern und unseren Nachbarn im Wald spazieren. Alles wie in Watte. Ich konnte es nicht glauben, wollte es nicht akzeptieren. Gestern war doch noch alles ok gewesen – klar, der übliche Stress, aber doch nichts, wofür es keine Lösung gab. Einen Tag vor seinem letzten hatte ich einen Tiefpunkt. Er baute mich auf, nahm mich in seine Arme und meinte, dass wir das schon schaffen, dass jetzt zwar ein stressiger Monat vor uns läge, aber danach hätten wir ja erstmal Urlaub und könnten uns entscheiden, ob wir das ganze Food Truck Business weiterführen würden oder nicht. Ich hatte ihn in dem Moment so für seine Stärke bewundert und ihm das auch gesagt.

Was war nur passiert, dass er anderthalb Tage später keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich umzubringen? Er war überarbeitet, hatte in der letzen Zeit kaum noch gegessen, wenig geschlafen und stand unter einem enormen Druck, den er sich größtenteils selbst gemacht hatte. Klar ist, dass an dem Abend/ in der Nacht Alkohol im Spiel war, ob noch andere Substanzen im Spiel waren, werden die Ergebnisse der Obduktion zeigen. Normalerweise hat er keine Drogen genommen, aber wer weiß, wen er zwischen Truckputzen und Nach-Hause-Kommen noch alles getroffen hatte. Wie ich später erfahren habe, war er nämlich mit Tante und Vater noch in zwei Lokalen gewesen. In seiner Verfassung hatte er sich vielleicht doch etwas andrehen lassen. Zwar würde es ihn nicht wieder zurückbringen,  aber es würde doch einiges erklären.

Ich spüre, dass er es in dem Moment, als er es tat, bereute, aber da war es schon zu spät. Ich weiß, dass es ihm unglaublich leid tut und er sich schämt für das was er getan hat. Wenn er könnte, würde er es sofort ungeschehen machen, aber das geht leider nicht. Nichts ist so endgültig wie der Tod. Er war so lebenslustig, wir hatten so viele Pläne, hatten uns erst fünf Tage vorher einen neuen Kühlanhänger gekauft. Das tut man doch nicht, wenn man sein Ableben plant. Ich bin mir sicher, das Ganze war eine Art Kurzschlussreaktion. Leider eine Unumkehrbare.

Die ersten Tage nach der Tat waren die schlimmsten. Ich konnte weder essen noch schlafen, mir sind die Haare ausgefallen. Meine Umwelt habe ich wie unter einer Käseglocke wahrgenommen, ich war gar nicht richtig anwesend. Trotzdem musste ich weitermachen, schon alleine wegen der Kinder. In der ersten Zeit wollten sie (und auch ich) nicht mehr alleine schlafen, also schliefen wir zu viert in ihrem Zimmer, wie in der Nacht als es passiert war. Außerdem möchten sie nicht mehr alleine sein, nicht mal alleine unten im Wohnzimmer bleiben, wenn ich mal kurz hoch ins Badezimmer gehe. Ansonsten verhalten sie sich relativ „normal“. Kinder trauern anders. Sie werden kurz mal traurig, aber dann spielen sie auch schon wieder weiter. Dennoch ist mir klar, das das Ganze nicht spurlos an ihnen vorbeigehen kann. Ganz wichtig finde ich Offenheit in dieser Zeit. Ich habe ihnen alles erzählt was sie wissen wollten, ohne Verheimlichungen. Bei uns gibt es keine Tabus. Sie dürfen mich alles fragen und ich beantworte ihnen ihre Fragen so gut ich es kann. Ich habe ihnen auch erklärt, dass Papa nicht komplett weg ist, sondern seine Seele jetzt immer auf uns aufpasst. Und dass wir es auch alleine schaffen werden. Mama hat jetzt Papas Stärke dazubekommen!

Dennoch ist das Weitermachen für mich schwer. Ich bin plötzlich alleinerziehend. Alleinerziehende Mama von drei Kindern! Nächsten Monat muss ich ohne ihn zur Einschulung unserer mittleren Tochter. Ich fühle mich leer und halbiert. Am Tag seines Todes bin auch ich einen Teil gestorben. Wir haben uns so geliebt, waren ein Drittel unseres Lebens fast Tag und Nacht zusammen. Ich vermisse ihn. Immer. Alles erinnert mich an ihn. Und ich frage mich, ob ich irgendwann wieder so richtig glücklich werden kann. Meine Gefühlslage ähnelt einer Achterbahnfahrt. Mal geht es mir besser, dann habe ich wieder meine Tiefpunkte. Und immer quält die Frage nach dem WARUM.

 

*(Dieser Text entstand bereits im Juli, nur konnte ich mich bis jetzt nicht dazu durchringen, ihn zu veröffentlichen.)

Früher war mehr Entspannung

Früher war doch alles besser – oder? Naja, vielleicht nicht besser, aber doch weitaus entspannter: da sind die Kinder ab der ersten Klasse alleine zur Schule gelaufen (manche sogar schon alleine zur Vorschule!). Das war normal. Heutzutage wird man schief angeguckt, wenn man seine Kinder nicht bis mindestens zur dritten Klasse bringt und abholt. Früher war „Freispiel“ normal. Heutzutage macht man sich schon Gedanken, ob man sein Kind nicht vernachlässigt, wenn es nicht mindestens einem Hobby (im Verein versteht sich) nachgeht. Einfach machen lassen? Einfach mal treiben lassen? Geht gar nicht. Struktur ist angesagt und Disziplin und die maximal beste Vorbereitung, die man seinem Kind nur auf seinem Weg ins Leben mitgeben kann – das ist ja grundsätzlich richtig, die Frage ist nur, ob die Methoden es sind.

Neulich hatten wir ein kleines Wiedersehen mit unserer früheren Grundschullehrerin, mit der wir in  alten Zeiten schwelgten. Dinge, die heute völlig undenkbar sind, waren damals normal: Wer beispielsweise seine Hausaufgaben zum x-ten Male in der Schultasche nicht „fand“, dem wurde sie ausgekippt, um beim Suchen zu „helfen“ – ohne, dass die Eltern des betreffenden Kindes daraufhin sofort zum Direktor rannten; im Sommer waren wir mit der Klasse mal auf einem Ausflug; es war sehr heiß. Wir wollten uns auf einem Platz, auf dem gerade der Rasen gesprengt wurde, abkühlen, hatten aber keine Badesachen dabei, und so ließ uns unsere Lehrerin einfach nackig unter den Rasensprenger hüpfen. Das war völlig normal und überhaupt kein Anlass zur Sorge, auch nicht für unsere Eltern, denen wir natürlich freudig davon berichteten. Man stelle sich die Gesichter der Eltern dazu heute einmal vor, wenn sie erfahren, dass eine Lehrerin Zweitklässler nackt in aller Öffentlichkeit unter einem Rasensprenger toben lässt. Die Arme kann sich nach einem neuen Job umsehen.

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Helikopter und Handys statt eigene Erfahrungen machen und ausprobieren lassen

Kinder werden heute viel mehr kontrolliert als früher. Ich bin ein Kind der 80er Jahre, morgens hat meine Mutter mich rausgelassen und abends um 19:00 wieder rein – und das in einer Großstadt wie Berlin. In der Zeit dazwischen durfte ich mit meinen Freunden spielen, war frei, selbstbestimmt. Ich hatte nie Langeweile, bin mit meinen Freunden oft über den Zaun des geschlossenen Kindergartens geklettert und habe dort auf dem tollen, riesigen Spielplatz gespielt, wir haben auf dem Hof Höhlen gebaut, teilweise aus den alten, kaputten, ausgesonderten Möbelstücken unserer Nachbarn (nicht auszudenken, was da für Bakterien drin gesteckt haben müssen!), wir haben uns Geschichten ausgedacht, waren unbekümmert, frei und hatten Spaß.  Und das ohne Handy! Meine Mutter hatte quasi nie eine Ahnung, wo ich gerade war, und sie konnte mich auch schlecht kontrollieren. Klar, wäre etwas passiert, hätte ich auch nicht anrufen können, aber es ist nie etwas passiert – jedenfalls nie etwas Schlimmes. Und auch heute passiert statistisch betrachtet nicht mehr als vor dreißig Jahren, weniger übrigens auch nicht – trotz Handys und Helikopter-Eltern, aber wenn etwas passiert, bekommt man es mehr mit! Durch die ganzen (sozialen) Medien verbreiten sich Kindesentführungen/ Missbrauchsfälle und andere Gräueltaten aber viel schneller und weitreichender als früher, wo es lediglich Radio, Zeitungen und die TV-Nachrichten zu einer bestimmten Uhrzeit gab. Heute ist alles rund um die Uhr zugänglich, wodurch solche Verbrechen automatisch präsenter werden, und wir den Eindruck bekommen, die heutige Welt sei unsicherer geworden.

 

Wir setzen uns selbst unter Druck und scheitern an unseren eigenen, zu hohen Erwartungen

Ich lasse meine drei Kinder oft freispielen (hieß das zu unserer Zeit nicht einfach nur „spielen“?), im Haus oder im Garten. Aber im Gegensatz zur Generation meiner Mutter, habe ich dabei stets ein schlechtes Gewissen: Sollte ICH die Kinder jetzt nicht besser irgendwie pädagogisch wertvoll beschäftigen? Ihnen etwas anbieten? Mit ihnen basteln? Batiken? Englisch lernen? Ihnen etwas vorlesen? Oder wenigstens Kochen und Backen? Ich bin so unentspannt, meine Erwartungen an mich selbst, gerade was die Erziehung meiner Kinder angeht, sind so hoch, dass ich täglich daran scheitere und mich dann noch unfähiger fühle.  Die überzogenen, teilweise unrealistischen Erwartungen was die Kindererziehung angeht, sind also teilweise selbst auferlegt, und teilweise entstehen sie durch eine Art Gruppenzwang, weil man ja Familie XY in nichts nachstehen möchte. Man setzt sich also selbst unter Druck, ähnliches zu leisten, ungeachtet der äußeren Umstände, die dabei nicht berücksichtigt werden. (Die Burn-Out-Rate unter Müttern ist nicht umsonst in den letzten 10 Jahren um fast 40% gestiegen!)

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Familie als Statussymbol?

Nichts ist wohl so persönlich wie die eigene Familie, nichts so angreifbar wie der eigene Erziehungsstil. Da ist man am verletzlichsten, und so möchte man im Vergleich mit anderen natürlich besonders gut dastehen. Wo ein bisschen vergleichen ja durchaus normal ist, wird Wettbewerb heute ganz großgeschrieben. Das war früher sicher nicht anders, aber statt seine Erziehungsmethoden zu vergleichen, hat man sich mit anderen an der Größe des Autos/ Hauses / Fernsehers gemessen. Ist Familie also zu einer Art Statussymbol geworden? Generell wäre eine Verbesserung ihres Stellenwerts ja durchaus zu begrüßen, aber wie so häufig arten Vergleiche und Wettbewerb schnell in Egoismus und falschem Stolz der Eltern aus, in dem sie auch begründet liegen. Kind A macht Capoeira und geht in eine bilinguale Kita? Dann muss UNSER Kind das auch! Die wahren Interessen des Kindes bleiben dabei oft unberücksichtigt.

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Ein Plädoyer für mehr Entspannung!

Machen wir uns das Leben doch einfacher. Lassen wir unsere Kinder doch einfach mal machen und spielen und tun, worauf sie Lust haben. In dieser Freispielzeit können ja auch WIR mal tun was wir wollen: telefonieren, eine alte Folge Sex & the City schauen (oder Netflix) oder sonst einem Hobby nachgehen. Man muss nicht jedes Wochenende komplett mit Ausflügen und Aktivitäten fürs Kind vollstopfen, sondern kann es sich auch einfach mal zu Hause gemütlich machen. Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, nächstes mal wieder etwas zu malen. Und was habt Ihr so vor? Ooooooohhhhhmmmmmm….

 

Was wirklich zählt im Leben

Neulich hat uns unsere Tochter mal wieder gezeigt, was wirklich zählt im Leben, nämlich in aller erster Linie das Leben selbst! Im hektischen Alltag beschweren wir uns oft über Kleinigkeiten, nörgeln über vergebliche Vereinbarkeit, jammern über unsere stressigen Kinder und vergessen dabei ganz oft, wie glücklich wir uns eigentlich schätzen können, sie zu haben. Versteht mich nicht falsch: ich bin die Nörglerin Nummer eins und „Was wirklich zählt im Leben“ weiterlesen

Freundebücher – Wettbewerb schon im Kindergarten?

Freundebücher sind bei uns in der Kita gerade der große Renner. Gestern musste ich mal wieder gleich zwei auf einmal für meine Mittlere ausfüllen, aber selbst die 3-Jährige kam schon öfters mit einem an. Heute früh lag schon wieder eines in ihrem Fach. Dann weiß ich also, was heute Abend zu tun ist… Das Positive ist aber, dass „Freundebücher – Wettbewerb schon im Kindergarten?“ weiterlesen

Liebeserklärung an meine Mäuse

(Westenddad und ich sind seit zwei Tagen aus unserem 8-tägigen Paarurlaub zurück.)

Ich hätte das echt nicht gedacht – gegeben wie gestresst und genervt vom Muttersein ich oft bin – aber ich habe Euch soooo vermisst. „Liebeserklärung an meine Mäuse“ weiterlesen