Ich muss gelassener werden, sagt meine Therapeutin, und lernen, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen. Das ist leichter gesagt als getan. Momentan versuche ich verbissen, eine letzte Hausarbeit für meine Uni zu schreiben, bevor ich mich dann ENDLICH der Master-Arbeit widmen kann, bevor ich mir dann endlich einen festen Job suchen kann, bevor ich dann endlich Geld verdienen kann, bevor ich dann endlich einem geregelten Leben nachgehen kann. Routine. Alltag. Ruhe. Danach sehne ich mich so sehr. Aber wenn ich mich dann hinsetze und anfangen möchte, habe ich plötzlich ein Brett vorm Kopf. Nichts funktioniert. Nicht mal der Computer reagiert wie gewünscht. Nach zwei Stunden Grübeln, in denen sich immer wieder Gedanken in mein Gehirn schleichen, die so rein gar nichts mit meiner Aufgabe zu tun haben, werde ich nervös. So ähnlich wie jemand, der nachts nicht schlafen kann. Anfangs bleibt man ruhig, probiert es immer wieder, doch dann setzt die Nervosität ein: „nur noch zwei Stunden bevor ich aufstehen muss!“ – und dann klappt es natürlich noch weniger. So ähnlich ergeht es mir auch mit der Hausarbeit: „Nur noch eine Stunde bis ich die Kinder abholen muss“, „nur noch 40 Minuten“ – Mist, wenigstens ETWAS muss ich doch schaffen. Doch dann streikt sogar der Computer. Nicht mal die Literaturrecherche gelingt.
Aus der Frustration wird Ärger, aus Ärger Wut. Wut auf mich, auf den Papa, der mich mit allem alleine gelassen hat, auf die Umstände und die ganze Welt. MIST!!! Morgen und übermorgen sind wieder vollgepackt mit Terminen, dann kommt das Wochenede; logisch, dass ich dann mit drei kleinen Kindern im Haus auch nichts schaffen werde. Alles ist bei uns getaktet: die wenige Zeit zum Arbeiten muss auch wirklich zum Arbeiten genutzt werden, sonst wirft mich das um Wochen zurück. Sobald sich morgens, auf meiner Tour zu drei verschiedenen Schulen, auch nur eine Kleinigkeit verzögert, hat das Auswirkungen auf den gesamten Ablauf, und auf jeden einzelnen von uns vieren. Oder anders formuliert: wenn Kind A zu spät kommt, kommt Kind B zu spät, kommt Kind C zu spät, komme ich zu spät. Wenn ich zu spät komme, hab ich weniger Zeit X zu schaffen, dadurch verzögert sich Y um … ne Woche. Ihr wisst, was ich meine? Ich bin dauergestresst, stehe ständig unter Strom.
Heute war beispielsweise das erste Mal, dass unsere neue Familienhelferin mir für ein paar Stunden die Kinder abgenommen hat. Ich hatte mir fest vorgenommen, ins Kino zu gehen. Die Vorstellung war um 16:00, aber als ich ankam, war sie bereits ausverkauft! Von wegen Gelassenheit: Ich war so enttäuscht, dass ich mir (peinlicherweise) sogar einige Tränen verdrücken musste! Normalerweise hätte man dann eben einen anderen Film geschaut, aber alle fingen zu spät an (wobei schon 50 Minuten später zu spät gewesen wären für mich), oder man hätte sich den gleichen Film einfach am Tag darauf angesehen, aber da kommt leider keine Familienhelferin und passt derweil auf den Nachwuchs auf. Und so hab ich halt Pech gehabt, oder ich muss eine Woche warten. 😦 Was allerdings bedeutet, dass sich das, was ich dann machen wollte, ebenfalls wieder verschiebt.
Gerade mit Kindern läuft Vieles anders als geplant. Da muss man sich und seine Pläne eben dran anpassen. Für mich ist es unheimlich schwer, das zu akzeptieren. Ich hasse nichts mehr als Fremdbestimmung, und so gänzlich auf Spontaneität zu verzichten, erlebe ich als ständiges Ausgebremstwerden. Einfach mal ne Nacht durcharbeiten, weil der Kopf erst abends warm wird oder mir vorher einfach nichts einfällt, geht nicht mehr. Die Kinder bestimmen mein Leben. Und das frustriert mich. Sooo gerne wäre ich mehr wie andere Mütter; Mütter, für die es das größte Glück ist, sich ausschließlich nach ihren Kindern zu richten, bis in deren hohes Teenageralter, die es erfüllt, allein und voll und ganz für ihren Nachwuchs da zu sein. Oft beneide ich sie, denn es erleichtert das (fremdbestimmte) Mama-Dasein natürlich ungemein. Ich würde so gerne mehr in den Tag hineinleben können, Dinge auf mich zukommen lassen, den Moment genießen, mich einfach nur meinen Kindern widmen – ohne die tausend Dinge im Hinterkopf, die ich eigentlich machen müsste oder einfach nur gerne machen würde! Dann könnte ich auch gelassener reagieren, wenn etwas mal nicht nach Plan läuft.
Oft habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen eigenen Anforderungen als liebevolle, aufmerksame Mama nicht genüge, weil ich ihnen momentan gar nicht genügen kann. Ich bin nicht flexibel! Ich kann mich nicht bedingungslos den Bedürfnissen und Launen meiner Kinder anpassen. Ich liebe die drei über alles, aber sie sind mein Ein, nicht mein Alles. Meine beruflichen Ziele, mein Blog, meine Hobbys, meine Pläne, all das ist mir auch sehr wichtig. Ist das egoistisch? Es aufzugeben, wäre ein Stückweit, mich aufzugeben. Es ständig hinten anzustellen, wäre mich ständig hinten anzustellen, es würde mich frustrieren und auf Dauer unglücklich machen; und was nützt meinen Kindern eine frustrierte, unglückliche Mama?