Sozialverhalten fördern durch Verantwortung 😉
Wir haben fünf neue Haustiere. Mein Sohn hat sie mir letzten Mittwoch freudestrahlend präsentiert, als ich ihn von der Schule abgeholt habe. Er und seine Freunde haben in ihren Brotboxen Schnecken gesammelt. Vier Schnecken und eine Raupe, um genau zu sein.
Meine erste Reaktion war natürlich ablehnend, aber dann erinnerte mich das Ganze doch sehr an meine eigene Kindheit. Ich glaube, jedes Kind hat mal eine Schneckenzuchtphase gehabt, oder? Und so erlaubte ich es ihm also, sie mit nach Hause nehmen – unter dem Vorbehalt, dass sie auf dem Balkon leben müssten, und dass er für ihr Wohlergehen verantwortlich wäre – was insbesondere auch die Einweisung seiner zwei kleineren Schwestern in den korrekten Umgang mit ihnen beinhaltete.
Auf der kurzen Autofahrt von der Schule bis nach Hause war Carlos übrigens sehr darauf bedacht, die Brotbox niemals ganz zu schließen, denn sonst bekämen die Schnecken (und die Raupe natürlich) ja keinen Sauerstoff, wie er mir und seinen Schwestern erklärte. Zu Hause angekommen bauten wir den Schnecken ein Haus aus einem Pappkarton, ein alter Karton von Zalando um genau zu sein. Um auch zugeklappt die Sauerstoffversorgung zu gewährleisten, schnitt mein Sohn ein großes Loch in den Deckel. Auf meinen Einwand hin, dass es ja durch das Loch hineinregnen könnte, klebte er es wieder zu und schnitt ein neues an der Seite des Kartons hinein. Er rupfte unsere Balkonpflanzen ab und legte sie in das Schneckenhaus, seine Schwestern halfen ihm begeistert dabei… Schließlich entwendete er noch ein wenig Erde aus einem Blumentopf, sammelte ein paar Stöckchen auf und packte beides dazu, auch an Verpflegung mangelte es den Tierchen nicht: Neben den Blättern unserer Pflanzen bekamen sie noch drei Salatblätter, eine kleingeschnittene Karotte, und sogar eine Mini-Tränke aus einem Tapasschälchen (der Größe nach zu urteilen wohl für Olivenkerne gedacht).
Die Kinder waren begeistert und beschäftigten sich noch eine ganze Weile mit dem Hausbau und ihren Schützlingen. Ich habe dabei natürlich immer aufgepasst, dass sie vorsichtig mit ihnen umgehen, aber erstaunlicherweise musste ich sie wegen etwaiger „Misshandlungen“ nicht einmal ermahnen (Carla wollte nur mal probieren und leckte eine Schnecke an, was ich daraufhin natürlich sofort unterband). Abends klappten wir dann den Deckel zu (Tierschützer seien an dieser Stelle daran erinnert, dass sich ein RIESIGES „Luftloch“ an der Seite befand, aus dem sie auch jederzeit hätten herausklettern können) und wünschten ihnen eine gute Nacht.
Der nächste Morgen verlief wie folgt:
Noch im Schlaf bemerke ich wie sich die Schlafzimmertür einen Spalt öffnet, Carlitos seinen Kopf hindurch ins Zimmer steckt und Emma, die wie immer nachts von ihrem in unser Bett umgezogen war, versucht aufzuwecken. Ich ermahne ihn, leise zu sein und schlafe wieder ein.
Ich höre die Kinder im Flur spielen; offenbar haben sie den Schneckenkarton hinein geholt. Ich schlafe wieder ein.
Ich höre Carlos: „Nein, Emma, du musst das Papier nass machen, sonst geht es nicht ab!“
Ich ahne nichts Gutes…
Carla: “Ist die tot, die Raupe? …. Carlitoooo, ist die tohot???“
Oh nein!!!
Ich bin auf einmal hellwach und sehe nach, was passiert ist. Meine drei Kinder sitzen auf dem Boden in unserem Eingangszimmer um ihr gebasteltes Schneckenhaus herum. Eigentlich ist alles ganz friedlich, nur leider ist der Zalando-Karton der armen Raupe zum Verhängnis geworden: laut Carlos´ Aussage ist sie am Klebestreifen (der eigentlich dem Verschließen zum Rückversand dient) hängen geblieben. An den hatte ich natürlich gar nicht gedacht, und wer seine Schutzfolie überhaupt erst abgemacht hatte, wird wohl ebenso ungeklärt bleiben wie wessen Versuch, die Raupe zu befreien, kläglich scheitert (oder philosophisch betrachtet vielleicht auch nicht…). Alle Spuren (zum Glück auch die von der toten Raupe) sind bereits von den Kindern (mithilfe des nassen Klopapiers) beseitigt worden.
Trotzdem hat die Geschichte ein Happy End, denn die Schnecken leben nach wie vor unversehrt und sichtbar glücklich auf unserem Balkon, nun aber in selbstbestimmter Freiheit. Ihr Haus gibt es zwar immer noch, es steht (mittlerweile vom Regen durchgeweicht) in einer Ecke, aber die Kinder haben gelernt, die Tiere selbst entscheiden zu lassen, wo sie wann hingehen oder schlafen möchten.
…ich weiß jetzt nicht, in wie fern eine Schnecke so etwas zu schätzen weiß, aber für die Kinder ist es, glaub ich, eine echte Einsicht!